Donnerstag, 5. November 2015

USA halten Bombenanschlag für "sehr wahrscheinlich"

UPDATEEs verdichten sich Hinweise, dass die Terrormiliz IS für den Absturz des russischen Flugzeugs in Ägypten verantwortlich sein könnte. Großbritannien und Irland stoppen alle Flüge von und nach Scharm el Scheich.
    Teile des Wracks des abgestürzten russischen Airbus A320 auf Sinai.

Bild vergrößern
Teile des Wracks des abgestürzten russischen Airbus A320 auf Sinai. - FOTO: AFP
Der Absturz einer russischen Passagiermaschine in Ägypten könnte von einer Bombe der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) oder einer assoziierten Gruppierung verursacht worden sein. Dieses Szenario sei "sehr wahrscheinlich", sagte ein hochrangiger US-Vertreter am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP in Washington. Es handele sich dabei allerdings noch nicht um eine "endgültige" Einschätzung, fügte er hinzu.

Ähnlich äußerten sich US-Vertreter, die von den Nachrichtesendern CNN und NBC zitiert wurden. Die Maschine sei vermutlich "von einem Sprengsatz im Gepäck oder anderswo im Flugzeug" zum Absturz gebracht worden, sagte ein Geheimdienstvertreter CNN. Die Einschätzung stützt sich demnach auf Geheimdienstinformationen, die vor und nach dem Absturz gesammelt wurden. Es habe zwar keine Hinweise auf eine spezifische Bedrohung gegeben, sagte der Geheimdienstvertreter. Vor dem Absturz habe es auf dem Sinai aber "zusätzliche Aktivitäten" gegeben, "die unsere Aufmerksamkeit erregten".
Zuvor hatte schon die britische Regierung ähnliche Andeutungen gemacht. Großbritannien setzte aus diesem Grund ebenfalls am Mittwoch alle Flüge von dem ägyptischen Urlauberort Scharm el Scheich bis auf Weiteres aus. Es gebe die Befürchtung, dass die Maschine wegen einer Bombe abgestürzt sein könne, erklärte das Amt des britischen Premierministers David Cameron am Mittwoch. Cameron berief für den Abend eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein. Ein Sprengsatz an Bord sei eine "signifikante Möglichkeit", sagte Großbritanniens Außenminister Philip Hammond anschließend. Es seien verschiedene Quellen ausgewertet worden, bevor die Regierung zu dem Schluss gekommen sei.
Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen und die Absturzursache weiterhin unklar, hatte Downing Street vor der Sitzung mitgeteilt. Weil es inzwischen aber "mehr Informationen" gebe, sei die britische Regierung in Sorge, "dass das Flugzeug durchaus von einem Sprengsatz zum Absturz gebracht worden sein könnte". Als "Vorsichtsmaßnahme" würden daher zunächst die für Mittwochabend geplanten Flüge zwischen Scharm el Scheich und dem Vereinigten Königreich ausgesetzt.
Kurze Zeit später wies auch Irland alle Fluglinien des Landes an, den ägyptischen Urlauberort vorerst nicht mehr anzufliegen. Irische Flugzeuge sollten die Sinai-Halbinsel zudem bis auf Weiteres umfliegen, teilte die irische Luftfahrtbehörde IAA mit

Suche nun im Umkreis von 40 Kilometern

Bergungsteams haben die Suche am Unglücksort deutlich ausgeweitet. Die Mannschaften würden nun auf der Sinai-Halbinsel auf 40 Quadratkilometern nach Hinweisen für die Ursache der Katastrophe sowie nach weiteren sterblichen Überresten der 224 Opfer suchen, sagte Russlands Zivilschutzchef Wladimir Putschkow am Mittwoch. Zur besseren Übersicht des Trümmerfelds werden auch Drohnen eingesetzt. „Wir suchen Zentimeter für Zentimeter ab“, meinte Putschkow.
Am Mittwoch schreibt focus.de, eine Explosion im Triebwerk soll den Absturz verursacht haben. Das sei das erste Ergebnis der ägyptischen Untersuchungskommission. Die Experten hätten die Blackbox der Unglücksmaschine decodiert. Die Ursache der Explosion müsse noch geklärt werden, sagte ein Sprecher zur ägyptischen Zeitung „al-Masri al-Jaum“.

Mindestens vier Tote bei Selbstmordanschlag auf dem Sinai

Der Airbus A321 der sibirischen Firma Kolavia war kurz nach dem Start in Scharm el Scheich am Samstag über dem Sinai abgestürzt. Bisher hatten die Teams auf einem Gebiet von 30 Quadratkilometern gesucht. Die Arbeiten an dem Wrack sind auch wegen Extremisten auf der Halbinsel extrem riskant. Bei einem Selbstmordanschlag auf dem Sinai kamen am Mittwoch mindestens vier Menschen ums Leben. Die Autobombe galt einem Club für Polizeibeamte westlich der Stadt Al-Arisch im Norden der Unruheregion. Der IS bekannte sich in einer nicht verifizierbaren Twitter-Stellungnahme zu dem Attentat.

Die Behörden in Russland und Ägypten hatten einen möglichen Anschlag als unwahrscheinlich bezeichnet - allerdings nicht völlig ausgeschlossen. Die Extremisten bekräftigten am Mittwoch in einer Audionotiz im Namen des IS-Ablegers auf dem Sinai ihre Behauptung, den Absturz hervorgerufen zu haben.Weite Teile des Nordsinai sind militärisches Sperrgebiet. Es gibt immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte und Kämpfe mit Toten auf beiden Seiten. Der IS hatte auch unmittelbar nach dem Absturz des russischen Ferienfliegers behauptet, dafür verantwortlich zu sein. Experten bei der Terrorbekämpfung zweifeln aber, ob das stimmt.

Gerichtsmediziner versuchen Opfer zu identifizieren

Gegebenenfalls werde man irgendwann nähere Informationen dazu veröffentlichen, hieß es. Die Stellungnahme konnte zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Gerichtsmediziner in Russland setzten unterdessen die Identifizierung der Opfer fort. Der Katastrophenschutz hatte in den vergangenen Tagen die sterblichen Überreste fast aller Passagiere von Kairo nach St. Petersburg gebracht.
Auch in Moskau sind Forensik-Experten am Abgleich der DNA beteiligt. „Wir bieten den Hinterbliebenen jede erdenkliche Hilfe bei ihrem schweren Gang an“, sagte der Vizegouverneur von St. Petersburg, Igor Albin. (dpa, AFP, rok, isa)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen